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Der Pfad der Flexibilität – Buch für die Kampfkunst im Alltag
Ein inspirierendes Buch über die geistige Tiefe der Kampfkünste – und wie du diese Werte in dein tägliches Leben überträgst.
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Der Pfad der Flexibilität
Eine Auseinandersetzung mit den japanischen Kampfkunsten und deren geistiger Übertragung in den Alltag.
Fiore Tartaglia. Spectra-Verlag, Göppingen 2006. Hardcover, 174 Seiten. ISBN 3-9809081-8-6
Rezension von Dr. phil. Jörg-M. Wolters, Institut für Budopädagogik, Stade
Endlich ein neues Fachbuch, das sich dem Budo, der Kampfkunst und ihrem "inneren" Wesen widmet und ihre persönlichkeitsfördernde Wirksamkeit und positive Bedeutung für den sich darin übenden Menschen herausarbeitet.
Hier schreibt jemand, der selber ausgewiesener Praktiker und tiefsinniger Theoretiker ist und von der Materie offensichtlich wirklich versteht - anders als die meisten, die sich auch nach jahrelanger Aktivität und mit Schwarzgurtgrad angeblich erworbener Meisterschaft dennoch vornehmlich mit den "äußeren" Aspekten des Kampf-"Sports" befassen und den wahren, den so vielen verborgenen Schatz des Budo nicht zu erkennen, geschweige denn zu heben wissen.
Dieses Buch könnte Abhilfe schaffen. Es reflektiert die spezielle Trainingspraxis, die typischen Lernwege und darin angelegten Erfahrungen der Ausübenden und zeigt auf, was "hinter" dem äußeren, sicht- und messbaren Erfolg des langjährig Praktizierenden daraus für das eigene, Leben gelernt werden kann, welche bedeutsamen Erkenntnisse aus den Kampfkunst-typischen Erfahrungen erwachsen können, die, richtig umgesetzt, positive Kräfte im Alltag freisetzen.
Der Autor geht hier allerdings etwas zu optimistisch davon aus, dass alle, die nur genügend lange Kampfkunst praktizieren, dank der Weisheit, die in der Lehre des "Do" steckt, sich beinahe automatisch mit eigenen Schwachstellen auseinandersetzen würden und ihre eigenen charakterlichen Fehler und Schwächen entdecken, zugeben und vermeiden könnten (S.14). Demnach wäre jeder Kampsportler und Kampfkünstler ein dankbarer, demütiger, geradliniger, bewusster, freundlicher, friedlicher, reflektierter und im Einklang mit seiner Natur und Umwelt lebender, ein guter, Mensch - jedoch lässt die Realität diese schöne Hoffnung allzu schnell wie eine Seifenblase zerplatzen, wissen wir alle es aus Eigenerfahrung ja, leider, auch besser.
Ein wenig zu idealistisch und - ungeachtet des durchaus wünschenswerten Transfers des Budo-Geistes und der tatsächlichen Erlebnisse im Dojo in die "normale" Welt - zuweilen ins Phantastische übersteigert scheint die Vision des unfehlbaren, zumindest ständig an sich selbst arbeitenden Kampfkünstlers. Und der als
"Beleg für die Anpassungsfähigkeit, die einer heranrasenden Kraft auch außerhalb des Dojo mit Weichheit begegnet" dargestellte "Beispiel des Budoka", der dank seiner Fähigkeiten (instinktives Ausweichen und Abrollen) selbst die Kollision mit einem Auto, das ihn erfasst, schon bald selbstverständlich schadlos übersteht, zeugt von dieser euphorischen Übersteigerung ins Irreale und schadet den ansonsten meist sehr sensibel und nachvollziehbar herausgearbeiteten echten Chancen der Weiterentwicklung des psychophysischen, emotionalen, sozialen und spirituellen menschlichen Potentials durch Erlernen und Aus-Üben einer Kampfkunst. Jene echten Chancen des inneren Wachstums und der Reifung aber werden trefflich und überwiegend plausibel, wenn auch, wie gesagt, zwar meist als konsequente anstatt "nur" als wirklich mögliche Folgen der Auseinandersetzung mit Budo dargestellt.
Und richtigerweise stellt der Autor auch mehrfach fest, dass "das eigene Ich immer der härteste Gegner" ist und ihn zu besiegen die maximale Energie erfordert (S.52), so dass diese realistische Betrachtung und die darin aufgehobene, gleichwohl ungenannte Andeutung des Fehlschlagens von erwartungs-gemässen Lernerfolgen gleichzeitig die Pauschalbelobigung der Kampfkünstler relativiert.
Immerhin aber lassen sich des Autors gezogene Parallelen von Budo-Fortschritt und "besserem Menschsein" als wichtige Hinweise mit sehr hohem Aufforderungscharakter an die Praktizierenden lesen, um ihre Kampfkunst über Technik, Sport, Bewegung und Körperlichkeit hinaus als ganzheitlichen Weg, als geistige Schulung und systematische Methode der Erziehung und Förderung der eigenen Persönlichkeit zu verstehen und auszuüben.
Hier liegt der besondere Verdienst des Autors. Sein unausgesprochener und dennoch unübersehbarer Appell an die Ausübenden der Kampfkünste, der nicht überhört werden sollte (und m. E. auch viel wertvoller ist als die philosophischen und ob der Idealisierung leicht Missverständnisse provozierenden Botschaften an interessierte Laien), wiegt so mache Verklärung auf. Ein sehr lesenswertes Werk, das zudem aufwendig und schön illustriert ist, wie wir es auch schon von anderen Werken des Autors gewohnt sind Ihm ist eine breite Leserschaft zu wünschen, auch, um den Kampfkünsten ihren eigentlichen Stellenwert wiederzugeben - als Weg der Selbsterfahrung und -vervollkommnung.
