HEIAN NIDAN

HEIAN NIDAN – FRIEDEN UND RUHE, 2. STUFE.

Eine nicht-lineare Entwicklung

Die technischen Unterschiede zwischen den ersten beiden Kata der Heian-Serie sind enorm. Der unerfahrene Schüler, der die erste Kata beherrscht, wird mit einem viel höheren technischen Auswand konfrontiert, wenn er die Heian nidan studieren will.
Mehrere neue Techniken, von denen einige gleichzeitig mit beiden Händen ausgeführt werden, und sogar eine Kombination aus Tritt und Faust, stellen Anforderungen dar, die den unerfahrenen Schüler an die Grenze seiner koordinativen Fähigkeiten bringen.
Dies lässt uns verstehen, dass das Studium des Karate, obwohl es auf rationalen Konzepten basiert, nicht immer linear ist. Dies ist ein wichtiger Aspekt der Praxis, da eine Kampfkunst als solche in sich selbst Höhen und Tiefen, Fülle und Leere, eben Kontraste enthält. Der didaktische Aspekt geht über die Kata selbst hinaus und betritt den Bereich des Kumite: Ein Kampf hat keinen linearen Verlauf! Die Fähigkeit sich und somit auch das Unterbewusstsein an plötzliche Veränderungen anzupassen, ist eine unverzichtbare Eigenschaft, die einen guten Kämpfer auszeichnet. Die Entwicklung der Fähigkeit, sich spontan an Veränderungen anzupassen, beginnt mit den technischen Unterschieden der ersten beiden Heian Kata.

Ein herausfordernder Anfang

Das erste Beispiel für die koordinative Komplexität des Heian-Nidan sind die ersten Techniken (von Nr. 1 bis 6). Sie finden auch eine gültige Anwendung in der Selbstverteidigung, obwohl dies für den Karateka, der sich mit dem Erlernen der Kata beschäftigt, ein Thema ist, das später behandelt wird.

Sen no sen – Mögliche Anwendung

Zum ersten Mal werden eine Beintechnik und eine Armtechnik gleichzeitig ausgeführt (Sen no sen – Nr. 7). Dabei sind Koordination und Gleichgewicht gefragt. Bei dieser Kombination wehrt die Armtechnik (Uraken uchi) einen Fauststoß zum Kopf ab, während man gleichzeitig mit Yoko geri keage unter die Achsel des Angriffsarms oder auf das Kinn kontert.

Empfehlung

Bei der Ausführung dieser Kombination ist es zu empfehlen – nach dem Zurückziehen der Techniken –, ganz kurz das Gleichgewicht auf einem Bein zu behalten, um Zeit zum Ausholen der nächsten Technik (Shutō uke) zu haben.

Gyaku hanmi

Auch für die Abwehrtechniken, die in der Gyaku-hanmi-Haltung – überdrehte Oberkörperdrehung (Nr. 16 und 19) – ausgeführt und mit weiteren Techniken kombiniert werden, benötigt man eine gewisse Körperbeherrschung. Außerdem bringt die Gyaku-hanmi-Haltung in der Stellung Nr. 19 eine Veränderung des Zenkutsu dachi mit sich: die Stellung wird um circa eine Fußlänge verkürzt. Das ergibt sich durch die starke Hüftrotation, welche benötigt wird, um mit dem hinteren Arm eine effektive Abwehrtechnik zu ermöglichen. Dies sollte sehr sorgfältig geübt werden, damit die Kata genau dort endet, wo sie begonnen hat. Bei dieser Bewegung ist es zusätzlich wichtig, ein Anheben der Position durch ihre Verkürzung zu vermeiden, um die Hüfte auf gleicher Höhe zu halten.

Der hohe Schwierigkeitsgrad der Anwendungen

Heian nidan stellt auch im Bunkai-Bereich, wie schon in der Ausführung der Kata selbst, eine deutliche Steigerung zu Heian shodan dar.
Die Verteidigungssituationen zwingen den Schüler dazu, sich zu entscheiden, an welche Stelle und mit welcher Technik er kontert.
Wenn der Gegner größer ist, empfiehlt es sich häufig, eine Chūdan-Kontertechnik anzuwenden.
Ist er jedoch kleiner, bietet es sich an, Jōdan zu kontern, völlig unabhängig von den hier dargestellten Lösungen.

Lerneffekt

Die Anfangstechniken der Kata (bis Nr. 3) werden spiegelbildlich wiederholt (Nr. 4 bis 6). Hier bietet es sich an, zwei verschiedene Anwendungen mit unterschiedlichemSchwierigkeitsgrad zu üben, um den Lerneffekt zu erhöhen. Die zusätzliche Technik Fumikiri zum Oberschenkel (Nr. 7) dient dazu, die Sequenz auch in demFall erfolgreich abzuschließen, wenn der Yoko geri keage nicht als endgültige Technik platziert werden konnte.

Oi-komi-Technik

Die Interpretation der Technik Nr. 22 (Morote uke) ist hier als Jōdan-Angriff vorgesehen. Jedoch könnte sie auch eine Abwehr gegen den Ellenbogen des Gegners darstellen, falls dieser mit Oi zuki rechts angreift. Stark und präzise als „Oi-komi-Technik” ausgeführt, kann der Morote uke auch als Konter benutzt werden.

Stockangriffe

Die letzte Sequenz der Kata sieht eine Verteidigung gegen eine Stock- Kombination vor. Zum ersten Mal taucht der Stock als mögliche Waffe auf. Selbstverständlich kann an dieser Stelle auch eine waffenlose Verteidigung vorgesehen werden.

In der Nähe der Hände abwehren

Prinzipiell gilt es, Stockangriffe in der Nähe der gegnerischen Hände abzuwehren (oder auf den Händen selbst), um eigene Verletzungen an Armen und Händen zu vermeiden.
Dies setzt ein Abwehren nach vorne voraus, um in die Nähe des Gegners zu gelangen, damit danach selbst agiert werden kann.
Außerdem ist der Stock an der Spitze am gefährlichsten.
BeimTraining mit demStock ist sowohl eine gute Kontrolle als auch fachmännische Leitung notwendig, um Verletzungen zu vermeiden.

Dauer: circa 40 Sekunden

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